Öffentliches Geld – Öffentliches Gut (ÖGÖG)

23 Organisationen und rund 5000 Einzelpersonen

unterstützen gemeinsam mit uns unsere Kampagne Öffentliches Geld – Öffentliches Gut (Stand: Mai 2020).

Bildungsbeiträge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sollten dauerhaft unter freier Lizenz online zur Verfügung stehen. Schließlich finanzieren wir sie mit unserem Rundfunkbeitrag. Das ist das Kernanliegen der Kampagne ÖFFENTLICHES GELD – ÖFFENTLICHES GUT, in der sich neben Wikimedia Deutschland Verbände wie der Bundeselternrat, der Deutsche Bibliotheksverband oder die Open Knowledge Foundation engagieren. Erste positive Entwicklungen gibt es: Das ZDF-Wissensmagazin „Terra X“ hat einige Clips unter Creative Commons gestellt, und das junge Content-Netzwerk „Funk“ von ARD und ZDF bietet im Kanal „Wikitube“ frei zugängliche Videos zu Themen wie Treibhauseffekt oder US-Präsidentenwahl.

Wenn Lehrkräfte Dokumentationen, Interviews oder O-Töne aus öffentlich-rechtlichen Quellen nutzen wollen, stehen sie in der Regel vor einem Problem. Das beginnt zum Beispiel in den Mediatheken von ARD und ZDF. Inhalte daraus dürfen nur „zu Privatzwecken“ gestreamt werden, sie herunterzuladen und zu bearbeiten ist ohne Genehmigung meist nicht möglich. Näheres regelt das „Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz“. Und nicht nur Pädagoginnen und Pädagogen beklagen, dass öffentlich finanzierte Bildungsbeiträge überwiegend nicht unter Creative Commons gestellt werden.

„Unsere Demokratie ist darauf angewiesen, dass Bürger mitdenken und Fake von Fakt trennen, deswegen müssten mehr verständliche oder verständlich aufbereitete Inhalte kostenlos und dauerhaft zur Verfügung stehen“, betont der Wissenschaftsjournalist und Moderator Jean Pütz. „Es gibt zu viele dubiose Quellen im Netz“, sagt Kirsten Bode, Redakteurin für Geschichte und Wissenschaft beim ZDF-Magazin „Terra X“. Eine Zusammenarbeit von Wikimedia und den öffentlich-rechtlichen Sendern könne hingegen „seriösen Medien zu mehr Verbreitung verhelfen.“

„Terra X“-Clips zu Themen wie „Klimafaktor CO2“ sind mittlerweile unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 4.0 (CC BY 4.0) online frei zugänglich. Und das vornehmlich über Youtube betriebene junge Content-Netzwerk „Funk“ von ARD und ZDF stellt unter den gleichen Bedingungen Beiträge zum Nahostkonflikt, Greta Thunberg oder der Großen Koalition zur Verfügung. Das sind erste Schritte, die auf mehr Öffnung hoffen lassen.

Leonhard Dobusch, ZDF-Fernsehrat für den Bereich Internet, und Lukas Mezger, Vorsitzender des Präsidiums von Wikimedia Deutschland, betonen: „Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine exklusive Finanzierung durch alle Mitglieder der Gemeinschaft verteidigen möchte, muss er zentrale Produktionen auch allen zugänglich machen, jedenfalls so frei wie möglich.“

Ein Gespräch über ÖFFENTLICHES GELD – ÖFFENTLICHES GUT mit

TABEA RÖßNER / MdB

Wo liegen die Stärken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR)?

Gerade in der Corona-Krise hat der ÖRR zuletzt bewiesen, dass er verlässliche Informationen bieten und auch Inhalte kurzfristig ins Netz stellen kann. In der Medienpolitik ist es aber oft mühsam, Neues auf den Weg zu bringen. Gerade bei der Frage, inwieweit sich der ÖRR ins Internet öffnen kann, gibt es eine Reihe von Hürden. Die Einschränkungen sind größer, als sie sein müssten.

Werden Kinder und Jugendliche als Zielgruppe genug berücksichtigt?

Der ÖRR sollte Inhalte stärken, die Kindern und Jugendlichen das Gefühl geben: Das betrifft sie direkt.

Eine junge Generation braucht auch Angebote online, sie schaut nicht linear fern. Die Frage ist, ob Beiträge des ÖRR auf Kanälen wie YouTube ausgespielt werden sollten oder ob es nicht eine eigene öffentlich-rechtliche Plattform bräuchte. Eine, die für Qualität und seriöse Quellen steht, wo nicht die Algorithmen schnell zum nächsten Verschwörungsvideo führen.

Halten Sie es für richtig, Beiträge des ÖRR dauerhaft unter freier Lizenz online zu stellen?

Das ist eine Forderung, die ich unterstütze. Inhalte, die wir als Nutzungsgemeinschaft bezahlt haben, sollten dauerhaft frei verfügbar sein. Allerdings lässt sich die Frage des Urheberrechts dabei nicht ausblenden. Wenn zum Beispiel ein Naturfilmer viel Geld in Aufnahmen investiert hat, hat der ÖRR in der jetzigen Situation nicht die Mittel, die Rechte daran komplett abzugelten. Sobald der ÖRR selbst Lizenzen erwirbt, wird es schwierig. Dafür müsste er finanziell besser ausgestattet werden.

Wo sehen Sie positive Entwicklungen?

Es gibt ja mit Projekten wie TERRA X positive Signale. Ich finde es klasse, dass Wikimedia so hartnäckig an dem Thema dran bleibt. Die Debatte darüber, was der ÖRR leisten soll, was wir uns von ihm erwarten, sollte ja nicht nur in Gremien geführt werden. Ich wünsche mir darüber einen gesellschaftlichen Diskurs.

Tabea Rößner ist Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen. Sie war von 1991 bis 2009 als Redakteurin und Autorin beim Rundfunk tätig, unter anderem bei der Kindernachrichtensendung logo!

SASKIA ESKEN / MdB

Wo hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk Nachholbedarf?

Im digitalen Bereich sind wir an vielen Stellen noch nicht so weit, wie wir sein könnten. Ein Podcast galt zum Beispiel lange als mediales Format, das man auch mal probiert, aber nicht wirklich für nötig hält. Jetzt merkt man plötzlich, wie viel Interesse daran besteht, dass Menschen auch bereit sind, eine Stunde und länger zuzuhören – weil sie den Podcast abrufen können, wann sie wollen. Man muss die digitalen Möglichkeiten des ÖRR weiterdenken. 

Sollten Bildungsinhalte des ÖRR dauerhaft mit freier Lizenz online verfügbar sein?

Ich bin der festen Überzeugung, dass das so sein sollte. Gelder, die wir bisher in gedruckte Lernmittel zwischen Buchdeckeln stecken, sollten zu einem Teil in digitale Lerninhalte fließen. Und wenn diese mit öffentlichen Mitteln entstehen, sollten sie auch kostenlos zugänglich sein. 

Das steht nicht im Gegensatz dazu, dass die Entstehung dieser Inhalte finanziell gesichert sein muss. Wenn das Geld dann aber über Gebühren wieder hereingeholt werden muss, stimmt offenbar etwas mit dem Modell nicht. 

Wieso hängen wir im Bereich der digitalen Bildungsangebote hinterher?

Viele Akteure haben wahrscheinlich lange geglaubt, das Internet würde bald wieder verschwinden. Nun haben es viele Pädagoginnen und Pädagogen mit Lernenden zu tun, die Digital Natives sind. Der Kompetenzaufbau bei den Lehrkräften ist viel zu lange verschlafen worden – und der Veränderungsdruck hat gefehlt. Den spüren wir jetzt.

Finden Sie, dass die Kampagnen von Wikimedia genügend Sichtbarkeit haben?

Wikimedia hat allein durch die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer gute Möglichkeiten, Druck zu machen. Genutzt werden die Angebote reichlich, niemand kommt zurecht ohne Wikipedia. Dass dahinter eine Organisation steht, die noch viele andere interessante Projekte betreibt, ist vielleicht nicht so bekannt. Aber die Pop-Ups, die bei Wikipedia auftauchen, sind zum Beispiel ein guter Weg, um Aufmerksamkeit zu schaffen.

Saskia Esken (SPD) ist Mitglied des Bundestages und seit Dezember 2019 zusammen mit Norbert Walter-Borjans Bundesvorsitzende ihrer Partei.

Unsere Demokratie ist darauf angewiesen, dass Bürger mitdenken und Fake von Fakt trennen, deswegen müssten mehr verständliche oder verständlich aufbereite Inhalte kostenlos und dauerhaft zur Verfügung stehen. Wissenschaft darf niemals nur Herrschaftswissen werden.

Jean Pütz, Wissenschaftsjournalist und Fernsehmoderator

Es gibt zu viele dubiose Quellen im Netz, die Falschmeldungen verbreiten. Daher wird es immer wichtiger, dagegen zu halten. Eine Zusammenarbeit von Wikimedia und den Öffentlich-Rechtlichen kann seriösen Medien zu mehr Verbreitung verhelfen.

Kirsten Bode, Hauptredaktion Geschichte & Wissenschaft Redaktion Terra X, ZDF

Die Beitragszahler bezahlen die Produktion sämtlicher Inhalte öffentlich-rechtlicher Anstalten. Es ist eine geradezu bizarre Praxis, ihnen Zugang zu diesen Inhalten nur auf ausgesuchten Wegen oder bestimmten Zeiten zu gewähren.

Mario Sixtus, Filmemacher, Drehbuchautor, Journalist