Knowledge Equity Calendar und Movement Strategy

24 Beispiele für Wissensgerechtigkeit im Wikimedia-Movement

sind im Knowledge Equity Calendar aufgeführt.

Für „Knowledge Equity“ existiert in keiner Sprache der Welt eine wirklich treffgenaue Übersetzung, findet Cornelius Kibelka. Auch „Wissensgerechtigkeit“ fasst in seinen Augen nicht das volle Spektrum dieses Schwerpunkts der strategischen Ausrichtung von Wikimedia*. Der Spezialist für internationale Beziehungen bei Wikimedia Deutschland hat deshalb 24 Geschichten von Aktiven aus aller Welt gesammelt, die den Begriff auf ihre ganz eigene Weise mit Leben füllen. Zusammengetragen sind sie im „Knowledge Equity Calendar“, der im Advent 2019 jeden Tag die Tür zu einer anderen Wikimedia-Community geöffnet hat.

In Norwegen existiert eine samische Wikipedia. Das Problem ist nur, dass niemand sie mit Beiträgen füllt. Astrid und Åsa wollen das ändern. Mithilfe samischer Institutionen und Gemeinschaften suchen sie nach Autorinnen und Autoren, die Inhalte über diese Gruppe indigener Völker zusammentragen, die in ihren Heimatländern seit Jahrhunderten von Machtstrukturen und Privilegien ausgeschlossen bleiben und mit Diskriminierung konfrontiert sind. „Die Wikimedia-Plattformen bieten eine gute Möglichkeit, Wissen über das kulturelle Erbe der Samen zu teilen, und Wikipedia kann als Instrument der Sprachbelebung genutzt werden“, so Astrid und Åsa.

WMNOastrid, Astrid and Asa, staff at Wikimedia Norge (cropped), CC BY-SA 4.0

Das Bemerkenswerte: Die beiden sind selbst Südnorwegerinnen und reflektieren mit ihrem Projekt die eigene Geschichte als Angehörige der unterdrückenden Mehrheitsgesellschaft. 

„Knowledge Equity bedeutet, in jedem Kontext zu hinterfragen, wer nicht an der Wissensproduktion beteiligt ist“, sagt Cornelius Kibelka. Mit dem „Knowledge Equity Calendar“ wollte er den Blick auf marginalisierte Gruppen und Communitys aus aller Welt öffnen. Ein zu Recht beklagter Mangel sei ja, dass im Wikipedia-Kosmos nicht genügend Artikel von Frauen und über Frauen existierten. Nur bedeute das Streben nach „Equity“ noch mehr als die Überwindung dieses Gendergaps, findet der Spezialist für internationale Beziehungen. 

Bojan ist ein queerer Aktivist aus Serbien, der gemeinsam mit Freiwilligen dafür gesorgt hat, dass in der serbischsprachigen Wikipedia nun alle der 50 grundlegenden Artikel rund um LGBT+ und queere Themen auffindbar sind. Patricia aus Chile war an der Fotokampagne #ChileProtests beteiligt, mit der Wikimedia die Zivilgesellschaft einlud, Bilder der 2019 tobenden sozialen Unruhen im Land auf Wikimedia Commons zu teilen – und somit Perspektivvielfalt zu ermöglichen. Ein türkischer Wikipedianer wiederum erzählt anonym davon, wie er seine Arbeit unter den Bedingungen eines zweijährigen (mittlerweile aufgehobenen) Verbots der Wikipedia in seinem Land fortführt. Knowledge Equity ist für ihn ein Weg, „um neugierigere und engagiertere Menschen anzulocken.“ 

Bojan Cvetanović, Belgrade Pride 2019 – Bojan & Ostroga, CC BY-SA 4.0

Soziale, politische und technische Hürden abzubauen, das ist das erklärte Ziel des Wikimedia-Netzwerks. Wie das ganz praktisch aussehen kann, erzählt die Geschichte von Mahuton aus Benin. In seinem Land ist die am meisten gesprochene Sprache nicht Französisch, sondern Fon. Für deren Alphabet – mit einer Reihe von Sonderzeichen – existiert aber kein Tastatur-Layout. Auf einem Wikimedia-Hackathon in Barcelona traf Mahuton Mitstreiter*innen, mit denen er eine technische Lösung dafür erfand – in der Folge gibt es nun die erste Fon-Webseite der Welt: die Fon-Wikipedia. „Die ersten haben schon angefangen, Artikel zu schreiben, Wissen für alle in unserer eigenen Sprache zugänglich zu machen“, berichtet Mahuton. 

„Das Besondere an Knowledge Equity“ ist für Cornelius Kibelka die Tatsache, „dass der Begriff nie ausdefiniert ist. Er muss in jedem Zusammenhang neu beleuchtet werden.“ 

 Wie sieht die Zukunft von Wikimedia und dem weltweiten Engagement für Freies Wissen aus? Hunderte Menschen auf der ganzen Welt haben in einem zwei Jahre dauernden globalen Strategieprozess Antworten gefunden.
Riesenspatz / Svenja Kirsch, Anna Lena Schiller, riesenspatz.de, The Wikimedia 2030 Movement Strategy Recommendations have been published (May 2020), CC BY-SA 4.0

Unsere strategische Ausrichtung: Dienst und Gerechtigkeit

Im Jahr 2030 wird Wikimedia das Fundament im Ökosystem des Freien Wissens sein, und alle, die unsere Vision teilen, können sich uns anschließen.

Wir, die Wikimedia-Freiwilligen, -Communitys und -Organisationen, werden unsere Welt verbessern, indem wir Wissen sammeln, das die gesamte Vielfalt der Menschheit abbildet, und indem wir Angebote und Strukturen schaffen, die andere befähigen, dasselbe zu tun. Wir werden unsere Mission, Inhalte zu schaffen, weiter verfolgen, wie wir es bisher getan haben – und wir werden darüber hinausgehen.

KNOWLEDGE AS A SERVICE/Wissen als Dienst: Um unseren Nutzerinnen und Nutzern zu dienen, werden wir zu einer Plattform, die über Schnittstellen und Communitys der ganzen Welt Freies Wissen anbietet. Wir werden Werkzeuge für Verbündete und Partner schaffen, um über Wikimedia hinaus Freies Wissen zu organisieren und zu teilen. Unsere Infrastruktur wird es uns und anderen ermöglichen, verschiedene Arten von verlässlichem und freiem Wissen zu sammeln und zu nutzen.

KNOWLEDGE EQUITY/Gerechtigkeit des Wissens: Als eine soziale Bewegung setzen wir uns besonders für Wissen und Gemeinschaften ein, welche durch Machtstrukturen und Privilegien bisher ausgeschlossen wurden. Wir heißen Menschen jeder Herkunft willkommen und bauen so starke und vielfältige Gemeinschaften für Freies Wissens auf. Wir werden soziale, politische und technische Hürden abbauen, damit alle Menschen Freies Wissen nutzen und schaffen können.