Geschichte sichtbar machen mit Wikibase: Enslaved.org

8 verschiedene Organisationen bieten Services für Wikibase an.

Die Plattform „Enslaved: Peoples of the Historical Slave Trade“ sammelt historische Daten über diejenigen Menschen, die direkt vom transatlantischen Sklavenhandel betroffen waren. Das Digital-Humanities-Projekt wird von der Michigan State University durchgeführt und von der Andrew W. Mellon Foundation unterstützt. Enslaved.org nutzt Wikibase, die freie Datenbank-Software von Wikimedia Deutschland. Verschiedene historische Datenbanken werden in einer Linked-Open-Data-Plattform miteinander verknüpft. Das Ziel ist, den versklavten Menschen ihre Geschichte zurückzugeben.

„Die Tragödie der Sklaverei ist unbeschreiblich“, sagt Dean Rehberger, Direktor des Digital Humanities Center MATRIX und Professor für Geschichte an der Michigan State University. „Als Historiker sind wir mit dem Problem konfrontiert, wie wir über das Unbekannte und Unaussprechliche sprechen sollen“, erklärt Daryle Williams, Co-Principal Investigator bei dem Projekt Enslaved.org.

Die beiden Wissenschaftler haben sich deshalb vorgenommen, ein Kapitel der Geschichte benennbar und greifbar zu machen, das zu weiten Teilen verdrängt wurde und wird. Ihre Plattform Enslaved.org sammelt historische Daten über den transatlantischen Sklavenhandel. Sie stammen aus Volkszählungsberichten, Tauf-, Schifffahrts- und Verkaufsunterlagen.

Es ist ein Unterfangen mit vielen Herausforderungen. „Wir haben all diese Daten in handschriftlichen Dokumenten, die wir digitalisieren müssen“, so Rehberger. „Oder wir haben Daten auf Material, das mit der Zeit verfällt und zu verschwinden droht. Also müssen wir diese Originaldaten erhalten und erfassen.“ Viele der in Archiven vorhandenen Informationen und Artefakte der kolonialen Sklaverei sind aus der Perspektive der Sklavenhalter*innen geschrieben, was ein zusätzliches Problem darstellt. „Wir müssen uns fragen, ob und wie wir diese Daten reproduzieren wollen“, betont Williams. Zudem sind die Aufzeichnungen oft widersprüchlich, Namen ändern sich in verschiedenen Dokumenten, und es gibt ungezählte Schreibvarianten je nach Zeit, Sprache und Region.

„Wir möchten, dass die Nutzenden von Enslaved.org diese Aufzeichnungen lesen und den Sinn dahinter erschließen“, erklärt Rehberger. „Wir wollen sie zurück zur Quelle schicken.“ Dafür werden Datensätze zusammengeführt, und die Nutzenden können jederzeit zurückgehen und das Original finden.

Um das möglich zu machen, haben die Wissenschaftler*innen sich für die Arbeit mit Linked Open Data und speziell Wikibase entschieden – der freien Datenbank-Software von Wikimedia Deutschland. „Wikibase lässt die Komplexität zu, die Teil unserer Arbeit ist“, so Rehberger. Zudem habe die Software eine nachhaltige Community. „Selbst wenn wir aufhören würden, an Enslaved.org zu arbeiten, würde die Technik weiter aktualisiert werden.“

Schon vor Enslaved.org haben die beiden ein Digital-Humanities-Projekt namens Slave Biographies betrieben und historische Aufzeichnungen über das Leben von versklavten Menschen gesammelt. „Das Problem war“, erzählt Rehberger, „dass es so viele verschiedene Softwares, Datenformate und Tools gibt. Wir hatten Zugang zu vielen Daten, aber sie lagen in Silos und waren schwer zu bearbeiten. Wir wollten die verschiedenen Projekte, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben, miteinander verbinden und sie einer größeren Community zugänglich machen.“

„Ein großes Problem in der Geschichtsforschung ist, dass die Sklaverei Namen und Schicksale ausgelöscht und Wissen zerstört hat“, sagt Williams. „Es ist unmöglich, dieses Wissen vollständig wiederherzustellen. Allerdings gibt es Millionen von Aufzeichnungen über die Millionen von Menschen, die versklavt wurden, und viele sind in diesen Aufzeichnungen namentlich genannt. Wir versuchen, zu systematisieren und Schicksale zu rekonstruieren.“ Es ist ein Vorhaben mit einer gesellschaftspolitischen Dimension, die in die Gegenwart wirkt. “Say their names/Sag ihre Namen” fordern die Hinterbliebenen rassistisch motivierter Gewalt in den USA. Williams fragt deshalb: „Was können wir tun, um ihre Namen buchstäblich auszusprechen?“

Dieser Text basiert auf einem Interview von Elisabeth Giesemann.