WikidataCon 2021: Die Zukunft der freien Wissensdatenbank
Auf der WikidataCon, die als virtuelle Veranstaltung im Oktober 2021 stattfand, hat die globale Community über die Zukunft der freien Wissensdatenbank diskutiert. Die Veranstaltung wurde von Wiki Movimento Brasil und Wikimedia Deutschland gemeinsam organisiert. Im Zentrum standen Fragen zur Dekolonisierung von Open Data und zur Nachhaltigkeit von Wikidata.
Von den 60 Prozent der Menschen weltweit, die heute Zugang zum Internet haben, stammt eine überwältigende Mehrheit aus dem globalen Süden – annähernd 80 Prozent. „Aber die Infrastruktur des Internets sieht nicht aus und klingt nicht so wie für die meisten von uns.“ Das stellte die Wikimedianerin und Gründerin der Kampagne „Whose Knowledge?“ Anasuya Sengupta in ihrem Vortrag „Decolonizing Wikidata“ fest. Vor allem hinterfragte sie ein Konzept von Wissen, das als „verlässliche Quelle“ vor allem Publikationen aus akademischen Kontexten gelten lässt, die fortwährend Ausschlüsse produzieren. „Auch Menschen sind Wissen“, so Sengupta.
Die Wikimedianerin sprach auf der virtuellen WikidataCon, die vom 29. bis 31. Oktober 2021 stattfand. Wikidata-Aktive, Tool-Entwickler*innen und Partner*innen kamen zusammen, um sich auszutauschen und gemeinsam neue Ideen und Ansätze für die Wissensplattform zu entwickeln. Ein Schwerpunkt war das neue Projekt „Reimagining Wikidata from the margins“, das den Fokus von Wikidata auf Europa und Nordamerika kritisch hinterfragt und das Wissen unterrepräsentierter und marginalisierter Communitys sichtbarer machen will.
Weg vom eurozentristischen Blick
Die Veranstaltung, die Wiki Movimento Brasil und Wikimedia Deutschland gemeinsam organisiert haben, lud mit Keynotes, Präsentationen, Diskussionen und Tutorials zum gemeinsamen Weiterdenken ein, wie sich Wikidata von den Rändern her neu gestalten ließe.
Die Notwendigkeit, Open Data zu dekolonisieren, war auch Thema der Diskussion „Brasilien GLAM-Panel: Wikidata for digital dissemination strategies“. Unter anderem verwies João Alexandre Peschanski – Koordinator des Wiki Movimento Brasil und Dozent am Cásper Libero College – auf die Problematik, Datenobjekte aus Kulturerbe-Institutionen ohne kritische Kontextualisierung in die Wissensdatenbank aufzunehmen.
Als Beispiel diente ihm der Stich „America“ des belgischen Künstlers Stradanus aus dem 16. Jahrhundert. Das Bild befindet sich in der Sammlung des New Yorker Metropolitan Museums und zeigt die Begegnung des Seefahrers Amerigo Vespucci mit einer indigenen Frau – „aus europäischer Perspektive, so, wie Europäer*innen sie sehen wollen“, beschrieb es Peschanski.
Acht Millionen Anfragen pro Tag
Diskutiert wurden indes auch technische Fortschritte und Entwicklungen der Wissensdatenbank, die in den vergangenen Jahren enorm gewachsen ist und derzeit acht Millionen Anfragen pro Tag über den öffentlich zugänglichen Wikidata Query Service erhält – was auch die Keynote „Scaling Wikidata Query Service – unlimited access to all the world’s knowledge for everyone is hard“ thematisierte.
Die „Brazilian Culture Session“ schließlich beschwörte den Geist der globalen Bewegung von Wikimedianer*innen – und lud dazu ein, noch wirkmächtiger als bisher an gemeinsamen Wegen im Wikidata-Ökosystem zu arbeiten.