Offene Wissenschaft: Teaching the Digital Commons

5 Jahre lang hat Wikimedia Deutschland mit Partnern das Fellow-Programm Freies Wissen durchgeführt und dabei 90 Nachwuchswissenschaftler*innen gefördert und offene Wissenschaft gestärkt.

Im Wintersemester 2019/2020 hat Wikimedia an der Fachhochschule Potsdam ein Pilotprojekt zum Thema Datenkompetenzen begleitet. Hintergrund war die Überlegung, dass Daten, die im Rahmen von Digitalisierungsprojekten entstehen, stärker in Citizen-Science-Projekte eingebracht werden sollten.

Ein Gespräch mit Ellen Euler, Professorin für Open Access/Open Data am Fachbereich Informationswissenschaften der FH Potsdam.

Frau Euler, Sie haben das Seminar im Wintersemester 2019/2020 an der FH Potsdam geleitet und sich dafür entschieden, die ursprünglichen Inhalte anzupassen und mit der Arbeit in den Wikimedia-Projekten zu verknüpfen. Warum?

Es ging mir darum, zu zeigen, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist und wie sich mithilfe der Wikimedia-Projekte die digitale Wissensallmende bereichern lässt. Ich wollte dafür sensibilisieren, dass es nicht damit getan ist, digitale Kulturschätze über eine Website verfügbar zu machen, sondern sich das volle Potenzial digitaler Objekte erst in dem Zusammenspiel von freien Lizenzen, hoher Qualität und standardisierten, strukturierten Daten entfalten kann. Dieses Zusammenspiel verkörpern die Wikimedia-Projekte mit Wikidata, Wikimedia Commons und Wikipedia und lassen eine Utopie greifbar werden. 

Sie haben im Seminar mit einer Kulturinstitution zusammengearbeitet. Wie kam es dazu – und wie sah diese Kooperation konkret aus?

Wir haben mit dem Institut für Kunst- und Bildgeschichte der HU Berlin zusammengearbeitet. Georg Schelbert, der Leiter der Mediathek, arbeitet schon länger aktiv daran, Wikidata für die Erschließung und Vernetzung der digitalen Bestände fruchtbar zu machen. Werke der Kunstgeschichte lassen sich nämlich mit herkömmlichen Konzepten wie (Werk-)Normdaten nur unzureichend beschreiben und vernetzen. Wikidata hat viele Vorteile gegenüber den klassischen Konzepten: Es ist mehrsprachig, und durch die hergestellten Beziehungen und die Einbeziehung einer unglaublichen Vielzahl von Identifiern und Normdaten lässt sich das Weltwissen mit dem lokal vorhandenen Wissen in Beziehung setzen und vernetzen. 

In Hands-on-Übungen haben wir mit echten Kulturdaten gearbeitet und eine Sammlung der historischen Glasdiasammlung des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte genutzt. Konkret ging es darum, die als Glasdiasammlung verfügbaren Fotografien von Kunstreisen des Peter H. Feist, einem Kunsthistoriker aus der DDR, in Wikidata zu integrieren.

Waren über ihn schon Daten verfügbar?

Feist hat international publiziert, trotzdem ist über ihn nur wenig digital verfügbar und frei zugänglich. In der Sammlung sind Farbfotografien aus einer Zeit enthalten, in der im Westen noch nicht selbstverständlich in Farbe fotografiert wurde. Es sind Objekte aus Osteuropa dabei, für die bislang wenige Fotografien zur Verfügung stehen. Die Verfügbarmachung in Wikidata ermöglicht die Vernetzung mit anderen Objekten und Wissensbeständen. Zudem lässt sich neues Wissen daraus generieren – ob zu den Objekten oder zum Urheber. Das ist möglich, weil die Objekte mit Daten und Metadaten in ein offenes semantisches Netz eingebracht werden und dann nicht mehr nur im Wissenssilo der Einrichtung bewahrt werden, sondern die Wissensallmende bereichern.

Worin genau besteht der Gewinn?

Dadurch, dass die einzelnen Objekte zu Knotenpunkten in einem Wissensgraphen werden, können sehr ungewöhnliche semantische Fragen beantwortet werden. Man könnte z. B. die Reisen von Peter H. Feist mit den Reisen von anderen Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern seiner Zeit in Beziehung setzen und visualisieren.

Das Tolle an Wikidata ist aber vor allem, dass wir vorher nicht wissen können, wer wann womit daraus einen Wissenszuwachs gewinnt. Es ist eine Investition in die Zukunft.