Statement

  • Ilja Braun

„Grundeinkommen statt Urheberrecht?“ – das war der Titel eines Buches, das ich bereits 2014 geschrieben habe. Gar nicht, um Aktivismus für das bedingungslose Grundeinkommen zu betreiben – ein Aktivist bin ich nicht –, sondern um ein paar grundsätzliche Reflexionen anzustoßen.

Das Urheberrecht basiert ja auf dem Prinzip, Dinge, die nicht warenförmig sind, in Waren zu verwandeln, geistige Schöpfung juristisch in Nutzungsrechte zu transformieren, die man gegen Geld abtreten kann. Jemand wie ich, der keine Fabrik besitzt, über keine Produktionsmittel verfügt, auch kein Handwerk gelernt hat, kann nur aus dem Kopf schöpfen, um etwas hervorzubringen, das ich auf dem Arbeitsmarkt verkaufen kann. Darauf bin ich angewiesen, ich bin gezwungen, an diesem Markt teilzunehmen. Freies Wissen ist ein Gegenkonzept dazu. Hier ist die Annahme eine Gemeinsphäre, zu der alle beitragen und von der alle etwas zurückbekommen – aber nicht im marktförmigen Sinne einer Gegenleistung.

Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Mittel, das Freiheit sichern soll. Die Freiheit, sich mit Dingen zu beschäftigen, ohne daraus ein Einkommen generieren zu müssen – weil die Lebensgrundlage anderweitig gesichert ist. Insofern kann man es auch als Gegenkonzept zur Arbeitswelt betrachten, die wir heute haben. Die basiert im Kern nämlich auf Zwang zur Verwertung der eigenen Talente und Schaffenskräfte. 

Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde mich davon entbinden. 

Und das wäre natürlich ein enormer Freiheitsgewinn. Es gibt ja kaum eine wertvollere Freiheit als die, über die eigene Zeit frei verfügen zu können.

Das meiste von dem, was wir als wertvoll betrachten, beruht nicht auf Markterwägungen, sondern auf Freiwilligkeit: Familie zum Beispiel, die Gemeinsphäre.

Die Frage ist doch, ob wir uns nicht auf einem ökonomischen Entwicklungsstand befinden, auf dem wir uns mehr davon leisten könnten. Ob nicht unsere volkswirtschaftliche Produktivität groß genug wäre, um das zu finanzieren, wenn zum Beispiel die „Digitalisierungsdividende“ entsprechend verteilt wäre.

Der Sozialphilosoph André Gorz hat schon ziemlich früh die Frage gestellt: Wie kommen wir dahin, produktive Tätigkeiten entwickeln zu können, ohne dass sie gleich ausgebeutet und verwertet werden müssen? Das richtet sich auf ein Gemeinwesen.

Wenn es darum geht, welche Potenziale ein bedingungsloses Grundeinkommen freisetzen könnte, wird meist Kreativität genannt. Das ist eine Möglichkeit. Aber es ist nur eine von vielen. 

Was die Gesellschaft in einem möglichst hohen Maß gewährleisten sollte, das ist die Freiheit von Zwängen. Die Freiheit zu selbstständiger Betätigung. Natürlich nicht nur in einem individualistischen Verständnis.

Leider ist das, obwohl es ein Kern der Debatte war, in all den Jahren, in denen die Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen allmählich im Mainstream angekommen ist, ein bisschen aus dem Blick geraten. Heute wird eher die Frage gestellt: Funktioniert das überhaupt? Und das Kriterium dafür, ob es „funktioniert“, ist dann meist unausgesprochen: Werden die Leute trotzdem arbeiten? Werden sie weiterhin etwas Kreatives tun? Kurzum: Werden sie nicht nur auf der faulen Haut liegen? Ich finde das sehr seltsam, denn wenn es darum geht, dass möglichst alles bleiben soll, wie es ist, dass wir alle weitermachen wie bisher, obwohl wir’s nicht müssten, dann würde ich sagen: Dazu braucht man kein Grundeinkommen. Ich würde mir wünschen, dass wieder stärker die Frage nach der Frage gestellt wird, auf die das Grundeinkommen die Antwort sein soll.

Weitere Infos:

Ilja Braun

Ilja Braun war als Lektor, Redakteur, Journalist, Literaturübersetzer und Politikreferent tätig. Derzeit arbeitet er bei den Grünen am Bundestag im Bereich Medienpolitik. Sein Buch "Grundeinkommen statt Urheberrecht. Zum kreativen Schaffen in der digitalen Welt" erschien im transcript-Verlag.