Von Datenschutz und Gemeinwohl

  • Ulrich Kelber

Ein Statement von Ulrich Kelber

Das Ziel des Datenschutzes ist zunächst ein individuelles. Wie kann er dennoch Gemeinwohlwirkung entfalten?

Ein gutes Beispiel für die Gemeinwohlwirkung stellen in meinen Augen die Bereiche Gesundheit und Forschung dar. Gesundheitsdaten sind besonders sensible Daten und deshalb auch besonders geschützt – sei es auf der Ebene der Länder, des Bundes oder auch in der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung. Niemand soll Nachteile oder Diskriminierung erleiden müssen, weil sensible Angaben zum eigenen Gesundheitszustand in falsche Hände fallen.

Auf der anderen Seite ist gerade im Gesundheitsbereich die Bedeutung der Forschung riesig. Das wissen auch die Patientinnen und Patienten, sodass viele dazu bereit sind, die nötige Einwilligung zu erteilen, dass mit ihren Daten – in anonymisierter oder pseudonymisierter Form – geforscht werden kann. Sei es zur Verbesserung von Behandlungsmethoden, zu Medikamenten oder anderen Therapien. Die Datenschutz-Grundverordnung privilegiert den Zweck „Forschung“ mit erleichterten Voraussetzungen, denn auch die Wissenschaftsfreiheit ist ein verfassungsmäßig verbrieftes Recht – ebenso wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Für den Bereich der Krebsforschung gibt es beispielsweise bereits epidemiologische und klinische Krebsregister in den jeweiligen Bundesländern, deren Daten für die Forschung genutzt werden können. In einem aktuellen Gesetzgebungsvorhaben soll ein überwiegender Teil dieser Daten auch bundesweit in einer zentralen Stelle zusammengeführt werden.

Gegenwärtig wird der gesellschaftliche Status des Datenschutzes verstärkt mit Blick auf technische Lösungen im Kontext von Corona diskutiert.

Gerade wenn viele Menschen seit Ausbruch der Pandemie damit konfrontiert sind, von zu Hause aus zu arbeiten, zu Hause zu lernen oder Sport zu machen – alles im Rahmen von Videokonferenzen – zeigen sich der Bedarf und die Bedeutung des Schutzes der Privatsphäre in einer ganz neuen Dimension. Oft wächst ein Grundvertrauen in die Nutzung neuer Technologien erst dann, wenn den Nutzenden ein Mindestmaß an Datenschutz zugesichert werden kann.

Die noch junge Datenschutzgrundverordnung hat den Datenschutz endgültig zu einem vollwertigen Schutzkonzept gemacht. Nicht nur Europa bekennt sich dazu, es findet weltweit Beachtung – gerade im Umgang mit der Pandemie.

Für die oft in Debatten geäußerte Behauptung, der Datenschutz stünde der Pandemiebekämpfung im Wege, gibt es keinerlei Belege. Ich finde solche Aussagen sehr schade. Zum einen zerstört man damit das notwendige Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihr eigenes Grundrecht. Zum anderen wird dadurch häufig nur von den eigentlichen Defiziten in der Pandemiebekämpfung abgelenkt. Es gibt hier keine einzige konkrete Initiative der Bundesregierung, die am Datenschutz grundsätzlich gescheitert ist.

Wir haben manchmal gesagt: Das muss man anders machen. Zum Beispiel, als man ganz am Anfang der Pandemie Mobilfunkzellendaten verwenden wollte, um herauszufinden, wer wem begegnet ist. Da haben wir unser Veto eingelegt, wenn man das so nennen will. Vor allem, weil die Funkzellenauswertung für diesen Zweck überhaupt nicht geeignet ist, weil die Genauigkeit oft auf einige Hundert Meter begrenzt ist.

Die Akzeptanz von Maßnahmen wächst, wenn sie vertrauenswürdig in Bezug auf den Datenschutz sind. Die Bürgerinnen und Bürger wollen ihren Beitrag leisten, aber nicht durch den Staat überwacht werden.

Ulrich Kelber

Ulrich Kelber ist seit 2019 der Bundesbeauftragte  für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Zuvor war Kelber von Dezember 2013 bis März 2018 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und von 2000-2019 Mitglied des Deutschen Bundestags.