Wie kann der Wert faktenbasierter Informationen gestärkt werden – in einer Gesellschaft, in der sich immer mehr Menschen von Meinungen leiten lassen und “alternative Fakten” zum immer normaleren Bestandteil unseres Medienkonsums werden?
Meinungen und Fakten bedeuten für mich keinen Gegensatz – Fakten an sich sind kein Selbstzweck, sie bilden aber das Fundament, auf das man seine Meinung stützt. Ein Fundament, das aus Tatsachen bestehen sollte, nicht aus Mythen oder falschen Behauptungen. Diesen Unterschied klarzumachen, was Meinung ist und was Fakt – könnte helfen, den Wert von Fakten zu stärken. Ein Wert, der auch darin besteht, dass ein Fakt zu unterschiedlichen Meinungen führen kann. In jedem Fall ist es wichtig, offen zu legen, auf welche Informationen man sich stützt, auf welcher Basis man argumentiert – das gilt für Kommentare ebenso wie beispielsweise für politische Reden.
Welche Kontrollen brauchen demokratische Institutionen – und in welcher Weise kann das Aufdecken von Missständen durch unabhängige Korrektive Vertrauen schaffen?
Investigativer Journalismus existiert, weil sich gezeigt hat, dass man den Mächtigen nicht einfach vertrauen kann. Seien sie demokratisch oder nicht, staatlich oder wirtschaftlich – diejenigen, die Macht haben, müssen kontrolliert werden. Sie wollen ja schließlich das Vertrauen der Menschen haben. Nur wenn klar ist, dass es durch den Journalismus und andere Institutionen wirksame Kontrollmechanismen gibt, dann kann es auch Vertrauen geben. Recherchen haben beispielsweise aufgedeckt, wie oft bestimmte Politikvorschläge oder Gesetzesvorhaben den Vorschlägen von Industrie-Vertreterinnen und -Vertretern gleichen. Solche Informationen können sich die wenigsten zu Hause ergoogeln, dafür braucht es einen Journalismus, der den Fokus darauf lenkt, wie Gesetzgebung beeinflusst wird.
Wie können Medien – analog und digital – ihre Rolle als Vierte Macht transparenter wahrnehmen und bestenfalls einem zunehmenden Vertrauensverlust entgegenwirken?
Oft ist nicht klar, wie der Journalismus funktioniert und wie wir arbeiten. Wie wählen wir Themen aus, woher nehmen wir unsere Informationen, wie bewerten wir sie und was gilt uns eigentlich als Quelle? Wenn wir unsere Techniken mehr erklären und in unseren Veröffentlichungen transparenter machen, hilft das der Glaubwürdigkeit und zeigt denen, die lesen, sehen und hören, dass wir sie ernst nehmen und ihnen zutrauen, sich selbst ein Bild zu machen. Immer mehr investigative Journalistinnen und Journalisten gehen dazu über, online neben ihren Artikeln eine Art „Making of“ zu veröffentlichen. Natürlich kann man nicht jede einzelne Quelle beim Namen nennen, weil teilweise auch die Anonymität von Whistleblowern gewahrt bleiben muss. Aber je größer die Transparenz ist, desto mehr gewinnt man Vertrauen.