28.07.2025
Für mehr Sprachvielfalt im Internet – Wikimedia Deutschland fördert lokale Softwareentwicklung in Indonesien, Afrika und Brasilien
Ein transnationales Wikimedia-Projekt stärkt unterrepräsentierte Sprachen durch lokal entwickelte Tools – Abschluss der ersten Projektphase im Juni 2025.
Berlin, 28. Juli 2025 – Seit 2021 koordiniert Wikimedia Deutschland ein transnationales Projekt, das eine höhere Sprachvielfalt im digitalen Raum fördert. Damit sollen vom Aussterben bedrohte Sprachen erhalten und der Zugang zu Wissen für unterrepräsentierte Sprachgemeinschaften verbessert werden. Das Projekt wurde durch die finanzielle und fachliche Unterstützung des Arcadia Funds ermöglicht.
Das Herzstück des Projekts: Wikimedia Deutschland entwickelt gemeinsam mit lokalen Software-Teams in Indonesien, Nigeria, Brasilien und Ghana technologische Lösungen, die das Bearbeiten von Wikidata und insbesondere das Hinzufügen von Sprachdaten (auch bekannt als lexikografische Daten) erleichtern. Wikidata wird seit 2012 von Wikimedia Deutschland entwickelt und ist mehr als eine offene Datenbank: Es handelt sich um einen Wissensgraphen, der Informationen in verschiedenen Sprachen miteinander verknüpft und in Beziehung setzt. Wikidatas weltweite Community von mehr als 12.000 aktiven Ehrenamtlichen fügt regelmäßig neue Daten zu einer Vielzahl von Themen hinzu und versieht sie mit zuverlässigen Quellen.
Tools für Sprachvielfalt: Von Wikicollabs und Wiki Mentor Africa
In Indonesien entwickelt das Software-Team Wikicollabs das benutzerfreundliche Tool Lexica. Es hilft Menschen Wörter aus ihren Sprachen strukturiert zu Wikidata hinzuzufügen – auch ohne Vorkenntnisse in Linguistik oder Datenmodellierung. Derzeit unterstützt Lexica 32 Sprachen, darunter sieben lokale Sprachen wie Javanisch, Banjar oder Minangkabau.
Wahre Einfachheit bei einem Tool bedeutet, sich nur auf das Wesentliche zu konzentrieren. Indem wir unsere Community im Blick haben, schaffen wir Tools, die den Menschen helfen, unkompliziert, sorgfältig und fehlerfrei zu arbeiten.Raisha Abdillah, Projektleiterin bei Wikicollabs
In Nigeria arbeitet die Igbo Wikimedians User Group mit ihrem Trainingsprogramm Wiki Mentor Africa daran, technisches Wissen im afrikanischen Raum aufzubauen. Ihr Ziel: Afrikanische Beitragende sollen selbst Tools für Wikidata entwickeln und verbessern können, und zwar in ihren Sprachen, für ihre Bedürfnisse. Über 1.300 Community-Mitglieder wurden seit dem Start durch Hackathons, Mentoring und Schulungen erreicht.
Wikidata lebt wie Wikipedia vom Mitmachen einer Community. Das Projekt Wiki Mentor Africa schließt eine Lücke, indem es Afrikaner*innen darin ausbildet, die Werkzeuge hinter Wikimedia-Projekten wie Wikidata zu entwickeln, zu verbessern und zu erhalten.Tochi Precious, Projektkoordinatorin bei Wiki Mentor Africa
Wikidata-Tools aus Brasilien und Ghana
Das Team von Wikimedia Brasil entwickelt eine neue Version des Bearbeitungs-Tools QuickStatements. Damit können viele Änderungen in Wikidata gleichzeitig vorgenommen werden. Die neue Version 3.0 ist einfacher, zugänglicher und leistungsfähiger.
In Ghana arbeitet das One Click Info-Team gemeinsam mit der Dagbani Wikimedians User Group an einer multilingualen Browser-Erweiterung. Diese zeigt kurze, verlässliche Zusammenfassungen aus Wikidata-Einträgen an. Wer also z. B. auf einer Nachrichtenseite einen unbekannten Begriff markiert, bekommt auf Knopfdruck eine Erklärung aus Wikidata in der passenden Sprache.
Wikidata als Schlüssel für den digitalen Raum
Wikidata ist als Wissensgraph mit seinen aktuell über 117 Millionen Einträgen nicht nur von Menschen, sondern auch für Maschinen lesbar. Das ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass unterrepräsentierte Sprachen in digitalen Anwendungen sichtbar werden und so Eingang in den digitalen Raum finden.
Die Mehrzahl digitaler Anwendungen, auch generative KIs, von Übersetzungstools bis Chatbots, funktionieren meist nur für Sprachen, die bereits stark im Internet vertreten sind – beispielsweise Englisch, Spanisch, Arabisch oder mehrere chinesische Sprachen. Die Menschenrechtsorganisation The Why hat herausgefunden, dass 89 % aller Online-Inhalte in insgesamt nur 10 Sprachen verfasst sind, während auf der Welt über 7.000 Sprachen gesprochen werden. Laut der Internet Society Foundation können 20 % der Weltbevölkerung im Internet aufgrund von Sprachbarrieren keine Informationen abrufen. Diese Lücke will das Projekt mit lokal verankertem Ansatz und einem dezentralen Entwicklungsmodell schließen.
Wenn wir technologische Lösungen mit den lokalen Communitys gemeinsam entwickeln, entstehen Tools, die wirklich zu den Bedürfnissen der Menschen passen. Das stärkt nicht nur lokale Sprachgemeinschaften, sondern die gesamte weltweite Wikimedia Bewegung – und damit das Rückgrat Freien Wissens. Erst wenn alle Menschen Daten in ihrer Sprache hinzufügen und nutzen können, entsteht wirklich Wissen für alle.Maria Heuschkel, Projektverantwortliche bei Wikimedia Deutschland.
Wie geht es weiter?
Nach der ersten erfolgreichen Aufbauphase soll der Fokus der zweiten Phase auf der Skalierung und Professionalisierung der dezentralen Teams liegen. Dafür suchen die Projektverantwortlichen aktuell nach einer neuen finanziellen Förderung.
Das Ziel bleibt, Softwareentwicklung langfristig in die Hände lokaler Communitys zu legen. Denn: Freies Wissen braucht eine starke und diverse Infrastruktur.
Über Wikimedia Deutschland
Wikimedia Deutschland ist ein gemeinnütziger Verein mit über 111.000 Mitgliedern und 180 Beschäftigten, der sich für die Förderung von frei verfügbarem Wissen im digitalen Raum einsetzt. Als größte Ländervertretung der internationalen Wikimedia-Bewegung fördert der Verein die ehrenamtlichen Communitys der Wikipedia und weiterer Wikimedia-Projekte in Deutschland. Wikimedia Deutschland entwickelt und pflegt freie Software und die freie Datenbank Wikidata. Der Verein engagiert sich im digital- und bildungspolitischen Bereich für Rahmenbedingungen, die den freien Zugang zu Wissen und Daten möglich machen. Zudem kooperieren wir mit Kulturinstitutionen, um mehr kulturelles Erbe frei zugänglich zu machen.
Über Arcadia
Arcadia unterstützt Menschen bei der Dokumentation kulturellen Erbes, der Erhaltung und Regeneration der Umwelt und der Förderung des freien Zugangs zu Wissen. Seit 2002 hat Arcadia mehr als 1,3 Milliarden Dollar an Organisationen in aller Welt vergeben.
Pressekontakt
Zarah Ziadi
Kommunikationsmanagerin Wikimedia Movement
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