24.01.2022

Kritik des COVID-19-Expert*innenrates an Datenlage: Wikimedia Deutschland fordert offene Daten für mehr Durchblick in der Pandemie

Berlin, 24.01.2022 – Wikimedia Deutschland begrüßt die Äußerungen des COVID-19-Expert*innenrates der Bundesregierung für eine verbesserte Datenerhebung und Digitalisierung. Wikimedia Deutschland fordert, dass Pandemiedaten öffentlich und durch entsprechende Schnittstellen einfach zugänglich sind. In einer Stellungnahme hatte der Expert*innenrat der Bundesregierung zu COVID-19 kritisiert, dass zwei Jahre nach Beginn der Pandemie in Deutschland weiterhin kein Zugang zu einigen wichtigen, aktuellen Versorgungsdaten besteht. Die datenpolitischen Defizite gehen weit über die Versorgungsdaten hinaus.

“Deutschland hat keine systematische Pandemiedatenpolitik. Es ist ein Stückwerk, für das Bundes- und Landesregierungen verantwortlich sind”, kritisiert Christian Humborg, Vorstand von Wikimedia Deutschland. “Weder hat die alte Bundesregierung das Problem in den Griff gekriegt, noch ist von der neuen Bundesregierung ein konzertiertes Vorgehen erkennbar.”

Die Daten werden nicht aktuell genug veröffentlicht. Wird einem Gesundheitsamt in Deutschland derzeit ein neuer Covid-19-Fall bekannt, hat dieser in der Regel noch einen weiten Weg vor sich, bis er in den Statistiken des RKI auftaucht. Denn die Gesundheitsämter melden ihre Fallzahlen nicht dem RKI direkt, sondern an die zuständige Landesbehörde. Diese reicht die Daten weiter an das RKI. Diese Verzögerungen sind ein Grund dafür, dass etwa ZEIT Online dazu übergegangen ist, Zahlen telefonisch von Gesundheitsämtern einzuholen und selbst aufzuarbeiten.

Wikimedia schließt sich auch der Forderung des Expert*innenrates an, dass mehr Daten auch maschinenlesbar vorliegen müssen. “Daten sind offensichtlich besser nutzbar, wenn sie direkt ausgelesen werden können anstelle davon sie per Hand aus PDF-Dateien zu kopieren”, so Christian Humborg. “Gerade für ehrenamtlich betriebene Projekte wie Wikipedia und Wikidata ist dies essentiell.”

Auch in der Schulverwaltung sind die Defizite offensichtlich. So werden beispielsweise in Nordrhein-Westfalen die Informationen zu Corona- und Quarantänefällen an den Schulen zentral im Schulministerium in Düsseldorf gesammelt. Das Ministerium schickt den Bezirksregierungen montags eine Übersicht der Daten für die Kreise und kreisfreien Städte. Diese Daten wurden jeweils am Mittwoch der Vorwoche gesammelt und anschließend ausgewertet. Eine tagesaktuelle Übersicht fehlt.

Diese Prozesse ließen sich beschleunigen, wenn neue Covid-19-Fälle bereits auf lokaler Ebene in ein offenes System eingepflegt würden – also etwa in den Gesundheitsämtern oder Teststellen. In Frankreich wird bereits mit einem solchen Modell gearbeitet. Dort melden die Teststellen bestätigte Covid-19-Fälle direkt an ein zentrales Portal. Ein Modell, das auch in Deutschland denkbar wäre. So könnten Daten anonymisiert, offen und unter freier Lizenz, maschinenlesbar und in hoher Qualität vorliegen.

Die Erhebung von Informationen und Daten und ihre Zugänglichkeit sind eine wichtige Maßnahme der Vertrauensbildung, gerade in einer Pandemie. “Digitalisierung und Vernetzung der Behörden verbessern die Datenlage und das schafft Vertrauen”, sagt Christian Humborg, Vorstand von Wikimedia Deutschland. “Fehlende Daten hingegen zwingen Regierungen in einen Blindflug und lassen zweifeln, auf welcher Datenbasis Maßnahmen verabschiedet werden.”

Bislang werden Daten im Dashboard des Robert-Koch-Instituts unter der sogenannten „Deutschland-Lizenz“ bereitgestellt. Diese ist zwar auch eine offene Lizenz, aber kein internationaler Standard, sodass die Weiterverarbeitung erschwert wird. International üblich sind offene Creative-Commons-Lizenzen.