16.11.2020

Urheberrechtsreform: Gesetzgeber muss Zugang zum Kulturerbe vor Aushebelung schützen und Bagatellnutzungen ermöglichen

Digitalisiertes Kulturerbe vor Kleingedrucktem schützen

Für freie Wissensprojekte wie Wikipedia besonders relevant ist die in § 68 UrhG-E geregelte Digitalisierung historischer Gemälde und Skulpturen. Auf Anregung von Wikimedia Deutschland e. V. und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen hat das Europäische Parlament in der neuen EU-Urheberrechtsrichtlinie dafür Sorge getragen, dass digitale Abbilder gemeinfreier Werke zukünftig rechtefrei und umfassend nutzbar sein müssen. Dadurch können beispielsweise Fotografien von Kunstwerken, deren urheberrechtlicher Schutz erloschen ist, Eingang in Wikipedia finden. Der Referentenentwurf des BMJV sichert dies jedoch nicht ausreichend gegen vertragliche Aushebelung ab, die etwa Museen im Kleingedruckten ihrer Eintrittskarten unterbringen können.

„Der neue Gesetzesentwurf des Bundesjustizministeriums stellt endlich klar, dass der umfassende urheberrechtliche Schutz die temporäre Ausnahme ist und die freie Nutzbarkeit unseres Kulturerbes die Regel. Deswegen darf es selbstverständlich nicht, sobald das Urheberrecht an einem Werk erlischt, zu einer Art vertraglichem Ersatzkonstrukt kommen“, so Abraham Taherivand, Geschäftsführender Vorstand von Wikimedia Deutschland. Es müsse verhindert werden, dass Institutionen im Kleingedruckten Nutzungsverbote aufstellen können, die das Urheberrecht aus gutem Grund nicht mehr vorsieht. Andernfalls bedrohe das den freien Zugang zu gemeinfreien Werken auf Plattformen wie Wikipedia, so Taherivand weiter.

Uploadfilter: Nur die Bagatellregelung macht den Entwurf grundrechtskonform

Der Referentenentwurf sieht für die Umsetzung des „Uploadfilter-Artikels“ 17 der EU-Urheberrechtsreform eine Bagatellregelung vor: Nutzungen kleinster Werkteile etwa in Form von Memes und animierten GIF-Bildern sollen pauschal legalisiert und durch Plattformen wie Youtube und Facebook auch pauschal an Kreative vergütet werden (siehe § 6 des vorgeschlagenen Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes, UrhDaG).

„Diese Bagatellregelung steht derzeit massiv unter Druck durch einige Bundesministerien und Verbände, die sie aus dem Referentenentwurf entfernt sehen wollen. Sie ist aber essenziell, um Uploadfilter zumindest aus Teilen des öffentlichen Diskurses fernzuhalten, und nur mit ihr kann Artikel 17 grundrechtskonform umgesetzt werden“, so John Weitzmann, Justiziar bei Wikimedia Deutschland. So sehe das offenbar auch der Europäische Gerichtshof, wie den Fragen der Richter im Klageverfahren Polens gegen Artikel 17 am 10. November in Luxemburg zu entnehmen gewesen sei. „Die Bagatellregelung ist der letzte wirksame Schutz vor Filterung selbst kleinster Posts und Memes, den es im Referentenentwurf noch gibt. Ohne sie würde die Bundesregierung nicht nur ihr Anti-Filter-Versprechen brechen, sondern das ganze Umsetzungsvorhaben gefährden“, so Weitzmann weiter.

Weitere Schwerpunkte der Stellungnahme

Am 13. Oktober hatte das BMJV einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes veröffentlicht und die Zivilgesellschaft dazu aufgefordert, Stellung zu beziehen. Neben den oben genannten Punkten bezieht sich Wikimedia Deutschland im ersten Teil der eingereichten Stellungnahme u. a. auch auf die gesetzlichen Erlaubnisse für Pastiches sowie die Rückfallschranke für das Verfügbarmachen sonst nicht verfügbarer Werke. Im zweiten Teil werden u. a. das Leistungsschutzrecht für Presseverleger sowie die vorgesehene Bagatellregelung thematisiert.

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